Ist Schutz von Geflüchteten in Köln nur ein Lippenbekenntnis? Initiative “Wir haben Platz”, AG Bleiben und Seebrücke Köln hinterfragen Köln als “Sicheren Hafen” (Pressemitteilung 20.12.2021)

  • Am 16.12.2021 wird eine Familie trotz Risikoschwangerschaft der minderjährigen Tochter nach Albanien abgeschoben

  • Flüchtlingshelferin beschreibt in einem detaillierten Abschiebeprotokoll das inhumane und rechtlich bedenkliche Vorgehen

  • Initiative “Wir haben Platz”, AG Bleiben und Seebrücke Köln sehen in der Abschiebung einen Widerspruch zum Ratsbeschluss vom 14.12.2021 zur Aufnahme von Fliehenden von der polnisch-belarusischen Grenze

  • Die Initiativen fordern eine deutliche Positionierung der Stadt Köln und der Kölner Verwaltung nicht nur bei der Aufnahme von Fliehenden, sondern auch in einer menschlichen Migrationspolitik gegenüber in Köln lebenden Geflüchteten


    “Warum sagt die Stadt, wir nehmen Menschen aus dem Grenzgebiet Belarus auf, geht aber gleichzeitig mit vulnerablen Menschen hier in Köln sehr respektlos und einschüchternd um? Sind das alles nur Lippenbekenntnisse oder billige Aussagen, die keine Konsequenz haben, da es eh kein Landesaufnahmeprogramm gibt?“ Mit diesen Worten endet das „Protokoll einer Abschiebung“, verfasst von Marianne Arndt, Gemeindereferentin und ehrenamtliche Unterstützerin einer Familie, die am 16.12.2021 trotz der Risikoschwangerschaft einer Minderjährigen nach Albanien abgeschoben wurde. 

    In dem detaillierten Abschiebeprotokoll legt Arndt dar, wie inhuman und rechtlich bedenklich die Abschiebung durchgeführt wurde: So gab es z.B. keine Übersetzer:innen, die schwangere Minderjährige wurde verletzt, ärztliche Unterlagen und Mobilfunkgeräte wurden nicht an die Familie zurückgegeben. 

    Die Initiative “Wir haben Platz”, die AG Bleiben und die Seebrücke Köln haben die Entscheidung des Rates der Stadt Köln vom 14.12.2021 sehr begrüßt, dass sich Köln gegenüber dem Bund für die Aufnahme von Fliehenden von der polnisch-belarusischen Grenze einsetzen will. Doch angesichts des tatsächlichen Umgangs mit Geflüchteten verliert die Erklärung des Kölner Rates nach Einschätzung der Initiativen an Glaubwürdigkeit. 

    “Wir haben Platz”, AG Bleiben und Seebrücke Köln fordern, dass die Stadtverwaltung Schritte unternimmt, eine an Humanität ausgerichtete Politik auch gegenüber hier lebenden Geflohenen umzusetzen: “Lippenbekenntnisse sind nicht genug”. 

 

Hier findet ihr das Protokoll im Original: Protokoll-einer-Abschiebung_16.12.2021

Kölner Stadt Anzeiger (17.12.2021) Geflüchtete aus Belarus Kölner Rat beauftragt Reker, sich an Bundesregierung zu wenden

Pressekontakt: Marianne Arndt: 0177-65 38 567,  wirhabenplatz@koeln.de

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Zum Hintergrund:
Die Familie aus Albanien lebt seit zwei Jahren in Köln lebt. Sie besteht aus den beiden Eltern und Zwillingen, die am 21. Dezember 17 Jahre alt werden. Marianne kam im Sommer 2021 über die Anfrage einer Kalker Hauptschule in Kontakt mit der Familie. Die Schule machte sich Sorgen, da sie erfahren hatte, dass die Familie „freiwillig“ ausreisen sollte. Trotz eines Gutachtens zur Situation der Tochter, die eine geistige Behinderung hat und aktuell in der 24ten Woche schwanger ist; trotz der starken Bemühungen der Eltern im Alphabetisierungskurs; trotz der positiven Prognose des Sohnes, der mit viel Einsatz eine Ausbildung als Elektriker anstrebte, liefen scheinbar die Vorbereitungen für eine Abschiebung weiter.

Am Donnerstag, 16.12.2021, erhielt Marianne um 05:45 Uhr einen Anruf: Die Polizei stehe in der Wohnung der Familie und die Abschiebung wäre in Gang gesetzt worden. Alle eilig in die Wege geleiteten Maßnahmen wie zum Beispiel ein Eilantrag, die Abschiebung aufgrund der ärztlich bestätigten Risikoschwangerschaft auszusetzen, waren vergeblich. Seit gestern ist die Familie in einem Flüchtlingscamp in Skodre, „die Bilder, die sie schicken, sind furchtbar, die Verhältnisse dort menschenunwürdig.“

Marianne fragt in ihrem Protokoll „Wie kann ich weiter auch wertschätzend und aufrichtig mit den Behörden umgehen, wenn ich von der Ausländerbehörde Sätze höre wie, wir sind eine Ordnungsbehörde und führen aus was uns die Landesregierung auferlegt. Das mag sein, aber es ist auch die Ausländerbehörde unserer Stadt, die die Fälle der Landesregierung zur Abschiebung abgibt. Warum ist die Stadt Köln Mitglied im Bündnis „Sichere Häfen“, wenn sie selbst so vielen Menschen keine Sicherheit bietet?“